Geschlechterdarstellungen in einem tschechischen Mathematiklehrmittel
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Geschlechterstereotypen in einem aktuellen tschechischen Mathematiklehrmittel für die 5. Klasse. Ausgehend von der Beobachtung, dass traditionelle Rollenbilder in Bildungsmedien nachweislich die Selbstwahrnehmung und Geschlechtervorstellungen von Schüler: innen prägen, wurden zwei Forschungsfragen untersucht: (1) Inwiefern tragen die Darstellungen von Personen und Figuren in Lehrmitteln der Primarstufe zur Verfestigung von Geschlechterstereotypen bei? (2) Welche Geschlechterstereotypen zeigen sich in den Darstellungen eines tschechischen Mathematiklehrmittels? Die Analyse erfolgte als Mixed-Methods-Untersuchung nach Kuckartz (2014) mit quantitativer Auszählung aller Figurendarstellungen (n=131) und qualitativer Einzelanalyse ausgewählter Abbildungen (n=5). Untersucht wurden Geschlechterverteilung, äussere Merkmale (Kleidung, Frisuren) sowie Interaktionsdynamiken. Die Ergebnisse zeigen ein Spannungsfeld: Während männliche Figuren leicht überrepräsentiert sind (54% vs. 45%), fallen besonders geschlechterstereotype äussere Merkmale auf (z.B. 59% der Mädchen in Röcken, 100% geschlechtsspezifische Frisuren). Überraschend ist jedoch, dass weibliche Figuren häufiger in kompetenten, erklärenden Rollen dargestellt werden, was in naturwissenschaftlichen Kontexten eher dem Stereotyp von Männern entspricht. Die Diskussion verdeutlicht, dass solche antistereotypen Elemente Potenzial für Fortschritt bieten, äussere Stereotype aber weiterhin geschlechterstereotyp dargestellt werden. Als zentrale Schlussfolgerung ergibt sich: Lehrmittel können durch bewusste Gestaltung Geschlechterstereotype sowohl reproduzieren als auch durchbrechen. Für die Praxis bedeutet dies, dass Verlage und Lehrpersonen stereotype Muster aktiv hinterfragen müssen. Offen bleibt, wie stark sich diese Darstellungen langfristig auf die Verfestigung von Geschlechterstereotypen bei Schüler: innen auswirken. Die Arbeit unterstreicht damit die Relevanz des Einsatzes von gendergerechten Unterrichtsmaterialien als Beitrag zu einer chancengerechten Bildung.