Perinatale psychische Erkrankungen – wer kümmert sich? : Eine Fallanalyse zur Sicht einer betroffenen Familie und der betreuenden Fachpersonen
Eine von fünf Frauen hat während der Perinatalzeit mit einer psychischen Belastungssituation zu kämpfen. Eine perinatale psychische Erkrankung (PPE) ist die häufigste Komplikation im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt. Schwerwiegende PPE bergen ein erhöhtes Suizid- und Infantizidrisiko mit einer Prävalenz von 0,1 bis 0,2 %. Suizid gilt heute als die häufigste Todesursache während der Perinatalzeit in den Industrieländern. Wenn perinatale psychische Erkrankungen nicht behandelt werden, könnte als Folge die psychische und kogni-tive Entwicklung des Kindes beeinträchtigt werden. Dies wiederum führt zu hohen sozioöko-nomischen Folgekosten. Es scheint in der Praxis eine grosse Herausforderung für Fachpersonen zu sein, von einer psychischen Belastungssituation in einer Familie zu erfahren. Untersuchun-gen zeigen, dass Fachpersonen Diagnoseinstrumente zur Erfassung von psychosozialen Belas-tungen bei jungen Familien kennen, die Anwendung und Umsetzung in der Praxis jedoch häufig nicht zum Tragen kommt. Die vorliegende Arbeit fokussiert sich darauf, einen vertieften Ein-blick in einen spezifischen Fall einer Familie mit psychischer Erkrankung der Mutter während der Perinatalzeit zu erhalten, um der Frage nachzugehen, wie eine psychisch belastete Familie die Betreuung durch Fachpersonen während der Perinatalzeit erlebt. Durch qualitative Inter-views mit einer Betroffenen und den betreuenden medizinischen Fachpersonen wurde das Er-leben der Familie sowie das Vorgehen der Fachpersonen in der Erkennung und Betreuung der Familie erfasst, um Ergebnisse zu erhalten, die auf ähnliche Fälle übertragbar sind. Die Ergeb-nisse sollen einen Beitrag zur Behandlungspraxis von psychisch belasteten Familien während der Perinatalzeit leisten. Die Analyse der qualitativ erhobenen Daten wurde mittels einer in-haltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse durchgeführt. Die Ergebnisse der Auswer-tung der Interviews zeigen, dass die junge Mutter im Fall die Betreuung der Fachpersonen dif-ferenziert einschätzt, dass dabei jedoch die Sympathie, die sie für die einzelnen Fachpersonen empfindet, ein gewichtiger Faktor in der Einschätzung ihrer Betreuung und Begleitung darstellt. Überdies kann festgehalten werden, dass die Betreuung von psychosozial belasteten Familien für die Fachpersonen eine Herausforderung darstellt. Wenn eine psychiatrische oder psycholo-gische Fachperson im Fall involviert ist, stützen sich die Fachpersonen darauf ab. Die Fachper-sonen in der ambulanten Betreuung von Familien während der Perinatalzeit wünschen sich mehr Unterstützung durch das System, damit Fachpersonen Familien mit multiplen Belastun-gen längerfristig kompetent und angemessen entschädigt begleiten können.