Fachlich-fachdidaktische Überzeugungen von Primarstudierenden und ihren Praxislehrpersonen im Vergleich

ORCID
0000-0001-8574-0590
GND
1038109973
Zugehörigkeit
Pädagogische Hochschule Thurgau
Brunner, Esther;
Zugehörigkeit
Pädagogische Hochschule Thurgau
Stankovic, Sanja;
Zugehörigkeit
Pädagogische Hochschule Luzern
Galle, Marco; Kreis, Annelies; Hiebler, Sonja

Praktika umfassen rund 25% der Ausbildungszeit von angehenden Primarlehrpersonen in der Deutschschweiz. Demgegenüber stehen die geringen Stundendotationen für die einzelnen Fächer, die eine solide fachlich-fachdidaktische Grundausbildung sicherstellen sollen. Für die Mathematikausbildung Primarstufe sind dafür an den verschiedenen Deutschschweizer Hochschulen zwischen 7 und 12 ECTS vorgesehen. In dieser Zeit sollen auf der Basis von reflektierten fachlichen Überzeugungen zum Wesen von Mathematik sowie zum Lehren und Lernen von Mathematik (Laschke & Felbrich, 2014) fachlich-fachdidaktische Kompetenzen (Baumert & Kunter, 2013) vermittelt und anschliessend in Praktika erprobt und reflektiert werden.
Lernen von Studierenden im Praktikum kann als Ergebnis sozialer Tätigkeiten (z.B. bei der Planung oder Reflexion von Unterricht oder beim Unterrichten) mit ihrer Praxislehrperson im Hinblick auf unterschiedliche Objekte bzw. Lerngegenstände verstanden werden (Kreis & Brunner, 2022). Damit dies produktiv erfolgen kann, dürfte ein kohärentes, gemeinsam getragenes Verständnis von (fachlichem) Lehren und Lernen in den beiden Ausbildungsfeldern Hochschule und Schulpraxis vorteilhaft sein, weil unterrichtliche Entscheidungen von diesen fachlich-fachdidaktischen Überzeugungen beeinflusst werden (Reusser, Pauli & Elmer, 2011).
Während Studien zu fachlich-fachdidaktischen Überzeugungen beispielsweise von Studierenden vorliegen (z.B. Biedermann, Steinmann & Oser, 2015), werden die Überzeugungen der Beteiligten eines Praktikums kaum vergleichend in den Blick genommen. Der Beitrag befasst sich daher mit folgender Forschungsfrage: Inwiefern unterscheiden sich fachlich-fachdidaktische Überzeugungen von Primarstudierenden und Praxislehrpersonen?

Im interdisziplinären SNF-Projekt «Lerngelegenheiten für Lehrstudierende im sozialen Netzwerk Praxisfeld aus allgemein- und mathematikdidaktischer Perspektive» (Kreis & Brunner, 2022) wurde mit 257 Primarstudierenden und 186 Praxislehrpersonen Überzeugungen zu Mathematik und zu Mathematiklehren und -lernen erhoben (Laschke & Felbrich, 2014). Die Skalen zum Fach kontrastieren eine Regel- und Prozedurorientierung mit einer Sicht auf Mathematik als Prozess des Entdeckens und Erforschens. Mathematiklehren und -lernen umfasst eine konstruktivistisch und eine transmissiv geprägte Sicht.
Die Daten wurden metrisch erfasst, Mittelwerte pro Skala (1-6) berechnet und mittels t-Tests bezüglich Gruppenunterschieden analysiert. Wegen der unterschiedlichen Grösse der Teilstichproben wurden Effektstärken für gepoolte Varianzen berechnet.

Die Analysen ergaben, dass die Sichtweise von Mathematik als Prozess des Entdeckens und Erforschens bei den Praxislehrpersonen (MPraL = 4.93, SD = .57; MStud = 4.45, SD = .80) stärker ausgeprägt war als bei den Studierenden (t = 7.39; df = 440.99, p < .001) bei einem mittleren Effekt (d =.68). Beide Gruppen zeigten eine vergleichbar moderate Sicht von Mathematik als Regel und Prozedur.
Zum Mathematiklehren und -lernen zeigen beide Gruppen vergleichbar niedrige Werte in der transmissiven Skala und sehr hohe bei der konstruktivistischen, wobei dies bei den Praxislehrpersonen signifikant stärker ausgeprägt ist (t = 2.55; df = 437, p < .01) als bei den Studierenden (MPraL = 5.10, SD = .53; MStud = 4.95, SD = .62). Der Effekt des Unterschieds ist jedoch klein (d =.27).

Die fachlich-fachdidaktischen Überzeugungen dürften das unterrichtliche Handeln sowie die gemeinsamen Planungs- und Reflexionsgespräche beeinflussen, selbst wenn sie nicht explizit adressiert werden. Insbesondere die stärker ausgeprägte konstruktivistische Sicht von Mathematiklehren und -lernen sowie das Verständnis von Mathematik als Prozess des Erforschens der Praxislehrpersonen könnten bei ihnen zu einer stärkeren Betonung von erweiterten Lehr-Lernformen im Mathematikunterricht führen, die von den gemässigteren konstruktivistischen Sichtweisen der Studierenden nicht geteilt werden.

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